Neuseeland, 4. Teil

Hi there,

die zeit rast, die kinder haben heute das erste fenster auf ihren (dankenswerterweise aus österreich geschickten) adventkalendern geöffnet... adventstimmung kommt bei uns allerdings nicht so recht auf - haben den ersten adventsonntag bei herrlichem wetter am strand verbracht!
Auch unsere zeit in unserem "home away from home" geht schön langsam zu ende - noch zwei wochen, dann sind wir wieder im wohnmobil on the road. Dann beginnen nämlich die sommerferien, und jo und timi haben ihre kiwi-schulerfahrung auch schon hinter sich! Aber der reihe nach:


Unser domizil hier für 10 wochen (so lange dauert ein "term", ein quartal im kiwi-schuljahr) ist eine typische kiwi-bach (BÄTSCH), also eine ursprünglich einräumige holzhütte, rohweiß lackiert, die im laufe der zeit um einige räume erweitert wurde. Der wohnraum ist aus den 1920er jahren und damit für neuseeländische verhältnisse uralt! Gefunden hatte ich die hütte ja im internet, und die geniale lage - veranda mit blick und abgang zu einer lagune mit (schneebedeckten) bergen im hintergrund auf der einen seite, offenes meer und die weite tasman-bay auf der anderen seite - hat mich gleich überzeugt. Herbie hatte etwas sorge, ob die hütte nicht doch zu "basic" ist - schließlich ist das bad mit klo nur über die hintere veranda zu erreichen...:) unsere ankunft war dementsprechend spannend - die zufahrt zum haus auf schmalem, kurvigem weg, den wir zum teil erst für unseren mobi "freischneiden" mussten! Und dann der erste blick ins häuschen: muffig, alle vorhänge zu, und überall - sachen, sachen, sachen! Auf den betten türmte sich das (staubige) bettzeug, am küchenregal (nix mit einbauküche :)) fanden sich lebensmittel mit ablaufdatum in den 90-ern... herbie was not amused...! Doch ein tag großreinemachen sowie die entrümpelung der küche ließen die ganze sache schon anders ausschauen, und als wir dann noch alles deckenzeug (hatschi!!!) in das überflüssige schlafzimmer verbannt hatten und uns brandneue polster leisteten (herbie bekam sogar eine decke!), war das zuhause schon fast perfekt!!! Dass ich die einzige war, die sich anfangs beim nächtlichen weg aufs klo gefürchtet hat und daher von herbie begleitet werden musste, braucht ja keiner zu wissen :)
Mittlerweile sind wir in unserer hütte schon ganz zuhause und können uns gar nicht vorstellen, dass wir schon in zwei wochen wieder ausziehen müssen... das ganze hat durchaus nostalgischen charm: alles hier ist alt, vom uralten transistorradio über sämtliche lampen bis zum küchenherd. Der offenen kamin hat uns über so manchen kalten abend gerettet (heizung besteht nur aus einzelnen öl-radiatoren, die man bei 5 grad nachttemperatur durchaus gut gebrauchen kann!). die kinder lieben ihr stockbett, und natürlich vor allem unseren "garten": 4ha grund gehören zu unserer bach, eine pferdeweide mit 2 pferden, wiese vor und hinterm haus, ein stück kiwi-busch, eine pinien-plantage - und natürlich unser kiesstrand am inlet inklusive bootshaus. Durch die extremen gezeitenunterschiede (ca 3,5 m steigt der wasserspiegel) leert und füllt sich das riesige inlet im 6-stunden rhythmus: eine fläche so groß wie der halbe wörtersee, die einmal türkisblau, dann schlammbraun ist und dazwischen von herrlichen wassermustern durchsetzt. Besonders schön bei sonnenuntergang mit einem gläschen sauvignon blanc, der hier in der gegend hervorragend gedeiht...
Nachdem wir uns also in unserer bach eingelebt hatten, kam das nächste abenteuer: schulbeginn in neuseeland!!! Mit ein bissl bauchweh auf allen seiten... Und es ist unglaublich: unsere jungs haben uns wirklich überwältigt mit ihrem mut und mit ihrer begeisterung! Die schule ist eine kleine waldorf-schule (die ich ebenfalls im internet entdeckt hatte) im 6000-einwohner-ort motueka (ca 15 min im auto von uns), untergebracht in einem wunderschönen alten weißen kolonial-haus mit geschnitzter veranda und garten. Das experiment war in diesem sinne ja eine doppeltes: erstens eine fremde sprache und lauter neue gesichter, und zweitens eine völlig andere art von schule. Jonathan ist in year 3, das gemeinsam mit year 2 von seinem lehrer david unterrichtet wird (insgesamt 21 kinder). Er hat großes glück - in seiner klasse sind noch 3 buben, die deutsch können, kinder von einwanderern aus deutschland und der scheiz. und timi ist im vorschuljahr (kindy) mit debbie - kein wort deutsch für ihn den ganzen Vormittag, er war echt tapfer! Beide kinder lieben ihre lehrer heiß, und schon nach dem ersten tag waren beide begeistert! Mittlerweile haben beide schon angefragt, ob wir nicht noch ein "term" länger bleiben könnten.... Was herbert und mich besonders beeindruckt, ist die geschwindigkeit, mit der die jungs englisch lernen: jonathan liest mittlerweile flüssig englisch (was nicht leicht ist!) und hat einen echten kiwi-slang, timi hat es natürlich ein bissl schwerer, da er ja noch nicht lesen kann und daher alles nur akkustisch speichert - aber dass er mir dornröschen auf englisch erzählen würde können, damit habe ich ganz sicher nicht gerechnet! Ohne zweifel profitieren beide kinder auch von den besonderheiten der waldorf-schule: man hat den eindruck, dass hier weniger mehr ist! Keine schulbücher, nur 2 hefte, keine hausübungen für jo - dafür ein schwieriges theaterstück zum schulschluss, das jo jetzt schon zur gänze auswendig kann, und viele exkursionen (thema des terms: farming). Ganz besonders bewundert haben wir jo auch für seine teilnahme am klassencamp letzte woche: 3 tage und zwei nächte im zelt auf einer kleinen farm, mit ausflügen und farmarbeit für die kinder. What an adventure!!! Auch timi liebt seinen "kindy" - viel angeleitetes basteln, materialien aus der natur statt spielzeug, viele rituale und lieder. Für uns besonders auffallend ist, dass die schule insgesamt wesentlich ruhiger ist als bei uns, und dass die kinder auch ruhiger aus der schule kommen. Das hat auch jonathan, der als genauer beobachter ja immer wieder mit seiner schule in weiz vergleicht, sehr positiv empfunden! Dass ihm die hausübungen nicht abgehen, ist wohl nicht ganz unverständlich :)
Herbert und ich haben unsere kurze "sesshafte" zeit genützt, um ein bissl mehr ins kiwi-dasein hineinzuschnuppern. Vieles gäbe es dazu zu erzählen - ein bissl was müssen wir aber wohl auch noch für zuhause zum erzählen aufsparen, sonst lädt uns ja gar keiner ein!!! Was allerdings auffällt - und wir beide sehr positiv empfinden - ist die vielfalt der gesellschaft, die sich natürlich aus der jungen einwanderergeschichte ergibt: fast jeder, den man kennenlernt, ist entweder selbst eingewandert, oder zumindest die eltern - wie wohltuend, wenn es "DIE AUSLÄNDER" einfach nicht gibt, weil niemand das monopol auf INLÄNDER hat!!! Das ist wohl auch der grund, warum soziale toleranz hier ganz anders gelebt wird: da treffen sich der besitzer des kleinen "house-truck" und der reiche aucklander mit seiner millionenvilla am hügel am selben strand zum picknick. Lebensläufe sind wesentlich bunter: man probiert verschiedene jobs und verschiedene orte, und wenns nicht passt - oder man lust auf neues hat - zieht man einfach weiter. Der wohl größte unterschied zu österreich, den wir gefunden haben, ist, dass die leute hier als lebensziel haben, GUT zu leben, was nicht unbedingt bedeutet, VIEL zu haben: kiwis wohnen wesentlich bescheidener, die häuser sind einfach und auch nicht aufwändig eingerichtet, und sie legen auch weniger wert auf äußerlichkeiten: ein blick auf motuekas high street zeigt, dass das diktat der haute couture hier noch nicht ankonnte gegen praktisch und gemütlich (wer mich kennt.... :)). Das heißt nicht, dass es immer einfach ist: viele der deutschen einwanderer, mit denen wir gesprochen haben, betonen schon, dass es finanziell oft schwierig ist: angestellte jobs sind sehr schlecht bezahlt, weshalb viele auch kleine firmen aufmachen - zumeist im tourismus (bed&breakfast, fahrrad-vermietung), oder auch auf sonntagsmärkten deutsche würste verkaufen. Das positive auch daran: niemand wundert sich, wenn ein akademiker in der saison spargel pflückt - standesdünkel ist hier echt nicht zu finden! Was diese gesellschaft aber sicher auch zusammenhält, ist die begeisterung für die natur: viele der tollsten hobbies sind nicht mit viel geld verbunden, und der riesige abenteuer-spielplatz liegt direkt vor der haustür! Wer sich kein ferienquartier leisten kann, schläft halt im auto - mit herrlicher aussicht, versteht sich. Denn dass neuseeland schön ist, das finden eigentlich alle hier - und dem können wir uns nur anschließen!!!
Dass das paradies natürlich auch seine schattenseiten hat, sollte einen nicht überraschen - dass diese aber u.a. in der medizinischen versorgung zu finden sind, damit hätten wir nicht gerechnet: fachärzte sind hier eine absolute mangelware, und die ausstattung der hausarzt-praxen ist mehr als armselig. Wehe (im wahrsten sinne des wortes), man hat das pech (so wie ich) und die standardbehandlung wirkt nicht... auch da wirken anscheinend noch die pionierszeiten nach - nur die harten kommen durch! Vielleicht hab ich aber auch einfach zu wenig des köstlichen einheimischen rebensaftes getrunken...
Letzteres werden wir aber sicher noch nachholen - die abende sind ja schon sehr lang (es wird erst um 21h30 finster)...und es wird sich noch die eine oder andere schöne aussicht finden, die "begossen" werden muss!
Bis zum nächsten mal grüßen euch eure (noch sesshaften) part time kiwis - see ya!

Heike, herbert, jo und timi