Neuseeland, 2. Teil

Hi there,

zuerst einmal ein ganz dickes dankeschön für eure mails, über die wir uns alle sehr gefreut haben. Es ist schön, dass ihr an uns denkt und euch mit uns mitfreuen könnt – vielen dank!!!

eigentlich sollte dieses zweite mail schon von unserem häuschen auf der südinsel kommen. Stattdessen sitze ich im bus, die kinder haben grad schule (stillbeschäftigung! Ich fürchte, ich gehöre zur konservativen sorte J), ich schaue hinaus auf ein heute ziemlich graues meer, direkt vor mir ein wunderschöner strand mit riesigen kanada-fichten, daneben ein grüner hügel, auf dem das memorial für das in den 80-ern in auckland versenkte greenpeace-schiff rainbow warrior mit herrlichem blick auf die vorgelagerten inseln steht. Wir konnten uns einfach nicht vom norden der nordinsel losreißen, die um diese jahreszeit noch gänzlich von touristen verschont ist und sich in ihrer ganzen schönheit präsentiert! Herbies sorge wegen kälte und dauerregen hat sich zum glück nicht bewahrheitet, und wir haben daher unseren „urlaub" noch um 2 wochen verlängert, bevor die kinder dann in die schule gehen

Es ist aber auch einfach zu schön hier!!! Zuerst haben wir auf mehreren stichstraßen den 90-mile-beach erkundet, der bei ebbe auch befahrbar ist – allerdings nicht für mietfahrzeuge, es sind doch schon einige steckengeblieben und dann im meer versunken. Der strand ist schon unglaublich – schnurgerade zieht er sich in beide richtungen und verschwindet im gischtschleier am horizont, dahinter  erstreckt sich ein breiter dünenstreifen mit wenig bewuchs, bevor dann ein streifen aufgeforstetes gebiet folgt – alles fast völlig unbewohnt! Am strand bieten sich herrliche lichtstimmungen in den riesigen feuchten strandstreifen bei ebbe, und es finden sich muscheln, von denen wir arme europäer nur träumen können! Die kinder sind mittlerweile völlig verrückt nach den paua-muscheln, den berühmtesten neuseeländischen muscheln, die bis zu 20cm lang sind, außen ganz unscheinbar wie steine aussehen und in der innenseite wunderschön in allen regenbogenfarben glänzen. Verschiedene wasservögel tummeln sich, denen wir in ermangelung entsprechender informationen einfach kreative namen wie schnellläufer, rotschnabel usw. geben. Sehr traurig sind die kinder immer wieder, wenn wir einen toten pinguin am strand finden, was leider öfter vorkommt – liebe kleine dinger, schwarz-weiß wie im bilderbuch... Wir haben einen Ranger gefragt, der meinte, dass das die Folge eines besonders harten Winters mit schweren Stürmen sei, der den Pingis die Nahrungssuche schwer macht und dann dazu führt, dass sie völlig entkräftet von großen brechern an den strand gespült werden. Wir hoffen schon sehr, dass wir auch noch lebende pingis zu gesicht bekommen werden – nicht nur im aquarium, wo wir sie schon bewundert haben!

Der ganze nordzipfel der nordinsel ist ein recht einsames, wildes gebiet, das mir auch bei unserer letzten reise schon sehr gut gefallen hat: die wenigen kleinen siedlungen haben irgendwie wildwest-charakter (schilder mit „please take off your dirty footwear" sind oft anzutreffen, und infolge auch barfüßige oder besockte farmer vor dem kühlregal J), die häuser sind zumeist einfache holzhütten, deren anstrich zum teil wohl auch schon länger her ist. In den „gärten" – sprich, der wiese rundherum, liegt so ziemlich alles, was man je gebraucht hat oder noch brauchen könnte, von alten elektro-geräten bis zu autos aller arten. Besonders gut hat jo der ausgediente mikrowellenherd gefallen, der auf einem holzstipfel als postkastl auferstehung gefeiert hat!

Bewohnt wird diese gegend hauptsächlich von maori, was oft auch ein hinweis darauf ist, dass es sich eher um karges land handelt, das die weißen siedler sich nicht sofort unter den nagel gerissen haben. Für touristen ist es nicht ganz einfach, kontakt zu den maori zu bekommen – sie sind im gegensatz zu den weißen kiwis ausländern gegenüber eher zurückhaltend und wirken insgesamt ein bissl verschlossen. Eine interessante mischung, weil sie eigentlich ja optisch den anderen polynesischen südseebewohnern sehr ähneln – allerdings eben hier mit wollmütze auf dem kopf und gummistiefeln an den füßen. Was schon auffällt, ist die armut in diesem gebiet – und davon sind die maori wesentlich mehr betroffen als die weißen. Sehr viele leben von der notstandshilfe des staates, was natürlich keine allzu positive perspektive für die jeweilige region darstellt. Dafür sieht der vormittägliche einkauf einer maori-mutter ein bissl anders aus als bei uns: an einer ganz einsamen bucht sahen wir in der früh einen zerlempterten pickup anfahren, heraus stieg eine junge maori mit kleinem kind, babyhund und großer angel und verschwand am strand – um wenig später mit frischem fisch wieder abzurauschen. Und wir sitzen mit dosenschinken im bus!!!

Nach dem nintey mile beach sind wir ganz an die nordspitze der nordinsel ans cape reinga gefahren, an dem der sage nach die geister der verstorbenen über einen jahrhundertealten pohutukawa-baum direkt an der klippe ins jenseits reisen. Ich kann nur hoffen, dass das auch für europäische geister gilt – der platz ist tatsächlich magisch! Wir haben ihn uns „erwandert" – auf einem traumhaften küstenwanderweg, der einzigartige ausblicke bietet auf weißsandige buchten, türkises meer, dahinter „brokkoli-wald" (haben wir so getauft, weil die oberfläche tatsächlich aussieht wie grüner brokkoli) – und am himmel in der ferne die große weiße wolke, die neuseeland seinen maori-namen (Aotearoa) gegeben hat. Die jungs sind voller begeisterung die steilen wege rauf und runter marschiert, ich musste mich bei den engen passagen, wo es hunderte meter steil ins meer runter geht, ein bissl zusammenreißen und meine sorge um die jungs auf handgeben beschränken J. Kein weg ist zu weit, wenn unterwegs paua-muscheln warten und ein leuchtturm als ziel! Ausgangspunkt für unsere wanderung war eine meiner lieblingsbuchten in neuseeland, die tapotupotu-bay, erreichbar über eine schotterpiste, an deren ende die bucht mit sandstrand und einer herrlichen flussmündung liegt. Der einfache campingplatz bietet nur kaltes wasser und plumpsklo, aber dafür eine traumhafte umgebung, und wir sind mehrere tage in unserer eigenen „fluss-bucht" gestanden, wo wir keine menschenseele gesehen haben... nächtliche vollmondwanderungen zum strand und klo-expeditionen mit stirnlampe bescheren auch noch den nötigen abenteuer-touch! Das einzige, was in einer derartigen umgebung manchmal schwer fällt, ist die konsequenz zum lernen: timi nimmt seine „vorschule" erstaunlich ernst und malt und schreibt mit hingabe (wohl immer in erwartung der neuseeländischen belohnungs-pickerln!). jonathan liebt sein tagebuch – da könnte er stundenlang verzieren und schreiben. Weniger happy ist er mit dem rechnen – irgendwie fehlt ihm da die motivation, und mir oft die geduld, aber wir werden das schon noch hinkriegen!

Umso gemütlicher sind dafür oft die abende im bus: es wird ja schon früh finster (jetzt um ca 18h30), und dann wird oft köstlich gekocht und gegessen (es lebe der neuseeländische sauvignon blanc, ich liebe ihn!!!). wir haben auch schon eine neuseeländische ausgabe von monopoly gefunden und uns in letzter zeit bei mensch ärgere dich nicht köstlich amüsiert – auch wenn es schon hart ist, wenn dann nur der sieger ein stück schoko bekommt!! Von den weniger gemütlichen abenden, wo die luft ein bissl dicker ist(wenn etwa beide jungs busfahrer spielen wollen und es gibt nur ein lenkrad zum beispiel....) , sei hier lieber nicht berichtet J!

Die letzten tage haben wir dann schon ein bissl weiter südlich in der nähe der berühmten bay of islands wieder an einem doc-camping verbracht – traumhafter meerblick, herrliche strandspaziergänge, nette neuseeländische camping-nachbarn und erstmals sonne UND windstille: die kinder konnten nicht widerstehen und haben sich in die türkisblauen fluten geworfen, ich hab es nur bis zum knöchel gebracht (schätzungswiese 17 grad...). Timi, dessen daumen von einer schnittverletzung noch immer ein bissl lädiert ist und im verband steckt, hat das kunststück geschafft, den kopf unter wasser zu tauchen, ohne den daumen nass zu machen! Man stelle sich die figur vor J...Von diesen herrlichen plätzen vertreibt uns letztlich meist nur unser bus-kühlschrank (die batterie macht irgendwann schlapp) und die lust auf eine heiße dusche – unsere solardusche hat uns bisher leider immer schlechtes wetter beschert, drum packen wir sie im moment gar nicht mehr aus...

Den gestrigen Sonntag haben wir in echter kiwi-manier mit fish&chips im berühmtesten fish shop neuseelands in mangonui begangen: eine holzhütte auf stelzen über dem meer, wo man sich riesige in papier gewickelte pakete abholt, die man dann über den ganzen tisch ausbreitet: köstlicher fisch in goldbraunem backteig, dazu ein mount everest von dick geschnittenen knusprigen pommes... was soll man sagen... echte schonkost!! Köstlich!!!

Unser jetziger campingplatz ist wieder ein luxus-heißdusch-wäschewasch-platz, und wir warten nur noch, bis die wäsche trocken ist, dann geht's weiter in die bay of islands und dann in die vulkanregion im zentrum der nordinsel, bevor wir in wellington die fähre richtung süden nehmen. Sind schon gespannt, welches wetter uns dort erwartet – ob wir wieder mit nächten rechnen müssen, wo es nur noch 5 grad im bus hat? Auch unser häuschen hat natürlich keine heizung...!

Wie es jetzt wohl bei euch daheim ausschaut? Schon echter herbst?? Die kinder hatten bisher einen einzigen kurzen sehnsuchts-anfall, als ihnen eingefallen ist, dass bei uns in weiz wohl bald der maroni-brater stehen wird und sie fast die ganze maroni-saison versäumen! Also bitte für uns mitessen – darf auch ein glaserl sturm für mich und herbie dabei sein! (wir trösten uns halt anderweitigJ).

Wir freuen uns auch weiterhin sehr über post von euch – auch wenn wir nicht immer gleich drauf reagieren können, weil wir sehr oft ohne internet sind. Also bitte auch wieder schreiben!

So, mit der stille bei der stillbeschäftigung ist es endgültig vorbei – ein glück, dass ich so schnell tippen kann, sonst wäre der brief wohl viel kürzer ausgefallen!

Wir schicken euch allen ganz viele bussi und liebe grüße – vom oberen ende von ganz unten!

Heike (und die starken Männer)